Top Gun: Maverick
Bild: Paramount Pictures
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«Top Gun 2» ist ein Megahit – was nicht gut für das Kino ist

Pascal Scherrer
Pascal Scherrer

Letzte Woche ist «Top Gun: Maverick» in den Kinos gestartet. Nach 36 Jahren steigt Tom Cruise wieder in einen Kampfjet, dieses Mal, um den jungen Haudegen etwas beizubringen. «Top Gun 2» reiht sich damit in eine lange Liste von Fortsetzungen bekannter Filme aus den 80er- und 90er-Jahren ein. Fortsetzungen bekannter Klassiker wie «Blade Runner 2049», «Der Prinz aus Zamunda 2» oder das jüngst angekündigte «Dirty Dancing» sind in der aktuellen Filmlandschaft genauso präsent wie Superheld:innenfilme.

Hollywood ist damit auf den 80er-Jahre-Nostalgiezug aufgesprungen, dem «Stranger Things» zum Durchbruch verholfen hat. Damit vollführte die US-Filmindustrie eine Kehrtwende: In den Jahren zuvor hatte man mit mässigem Erfolg versucht, beliebte 80er-Jahre-Streifen in Form von Remakes einem jüngeren Publikum schmackhaft zu machen. Dabei blendeten die Studios vollkommen aus, dass Filme wie «RoboCop», «Footloose» oder «Total Recall» nur im zeitlichen Kontext ihrer Zeit funktionieren konnten. Niemanden haut es heute mehr vom Hocker, wenn ein Geschöpf, halb Maschine, halb Mensch, für Ordnung und Gerechtigkeit sorgt.

Tom Cruise als treibende Kraft hinter «Top Gun: Maverick»

Mit dem Thema Nostalgie hat Hollywood aber nun eine Formel gefunden, die zumindest im TV-Format einigermassen funktioniert. Reunions sind gerade sehr angesagt und Serienfortsetzungen bescheren vielen Streaming-Anbietern viele neue Abos. Im Kino ist die Nostalgiewelle aber noch nicht ganz angekommen. «Blade Runner 2049» war trotz guter Kritiker – wie schon der erste Teil – kein finanzieller Erfolg. Viele andere Filme wanderten wegen der Coronapandemie direkt zu Streaming-Diensten. So gab es für Eddie Murphys «Der Prinz von Zamunda 2» statt eines weltweiten Kinostarts nur eine eher leise Premiere auf Amazone Prime.

Dieses Schicksal hätte eigentlich auch «Top Gun: Maverick» blühen müssen, wäre da nicht Tom Cruise gewesen. Er hat sich strickt geweigert, dass sein Film an einen Streaming-Dienst verkauft wird. Dass Cruise damit tatsächlich Erfolg hatte, zeigt, wie gross der Einfluss des Schauspielers ist. Dabei gehört er einer aussterbenden Gattung an: Er ist einer der alten Hollywoodstars, die sich ihren Weg ins Rampenlicht noch ohne Social-Media-Hype erkämpfen mussten.

Seit seinem Durchbruch mit «Top Gun» im Jahr 1986 war er immer da und hat sich trotz diverser Skandale an der Spitze Hollywoods halten können. Mit seinem Auftreten als Schauspieler, der fast alle seine Stunts selber macht, hat er sich in die Herzen der Action-Fans gearbeitet und dort einen festen Platz. Da verzeiht man ihm auch den Ruf, ein Kontrollfreak zu sein oder das eine oder andere geleakte Video, in dem er einen Wutanfall zum Besten gibt.

«Top Gun 2» katapultiert Tom Cruise in neue Spähren

Bereits bevor «Top Gun: Maverick» in den Kinos anlief, waren die Erwartungen entsprechend hoch. Doch was der Film am Startwochenende abgeliefert hat, dürfte Cruises Ego noch einmal einen ordentlichen Schub verpasst haben: 124 Millionen US-Dollar hat der Film alleine in Nordamerika eingespielt. Weltweit waren es sogar 248 Millionen. Damit bewegt sich «Top Gun 2» in Sphären, die heutzutage höchstens noch Marvel-Filme erreichen. Für Cruise war es sogar der kommerziell erfolgreichste Filmstart seiner bisherigen Karriere. Sein bisheriges Top-Ergebnis stammt aus dem Jahr 2005: Damals startete Steven Spielbergs «Krieg der Welten» in den Kinos und spielte am Startwochenende respektable 64 Millionen ein.

Tom Cruise darf sich freuen. | Bild: Paramount

Dass «Top Gun: Maverick» ein solch massiver Hit ist, liegt aber nicht nur an Cruise und dem Nostalgiefaktor. Der Film lässt sich schon fast als Jet-Porn bezeichnen und hat damit sowieso bereits alle Aviatikfans auf seiner Seite. Kommt hinzu, dass die Marketingabteilung den Stars eingetrichtert hat, unermüdlich zu betonen, dass die Aufnahmen mit den Jets – von aussen wie innen – alle echt sind. Damit holt man auch alle Kritiker:innen ab, die seit Jahren monieren, dass neue Filme mit Computereffekten überladen seien. Dass «Top Gun: Maverick» im Prinzip ein einziger langer Imagefilm für die USA ist und damit auch die Patriotenkarte gekonnt spielt, dürfte klar sein.

Was kaum jemand erwartet hat: «Top Gun: Maverick» ist gut

Der grösse Cou, den «Top Gun: Maverick» aber gelungen ist, hat wohl niemand kommen sehen: Der Film ist gut. Tatsächlich sind die Reviews praktisch ausnahmslos positiv. Auf der Review-Plattform Rotten Tomatoes hat «Top Gun 2» aktuell einen Schnitt von unglaublichen 96 Prozent, basierend auf über 300 Reviews. Damit gerechnet hatte niemand. Peter Debruge, Chefkritiker bei Variety sagt über den Film, dass er geradezu geschockt war, wie sehr er «Top Gun 2» gemocht habe.

Damit überflügelt die Fortsetzung das Original bei Weitem. Dieses war – trotz seines heutigen Kultstatus – kein inhaltliches Meisterwerk. Aktuell hält es auf Rotten Tomatoes einen Schnitt von gerade einmal 55 Prozent.

Dass «Top Gun: Maverick» bei den Reviews so gut abschneidet, dürfte kein Zufall sein. Cruise selbst sagt, dass er beinahe vier Jahrzehnte gewartet hatte, um einer Fortsetzung zuzustimmen, da er auf eine gute Story gewartet habe. So was klingt natürlich auch immer nach PR-Gerede, allerdings ist Cruise für seinen Perfektionismus bekannt. Dass ihm an einer Fortsetzung zu dem Film, dem er seine Karriere zu verdanken hat, viel liegt, ist durchaus glaubhaft.

So musste Regisseur Joseph Kosinski den Film erst bei Tom Cruise persönlich pitchen – und Kosinski ist keineswegs ein Niemand in Hollywood. 2013 hatte er für den Science-Fiction-Film «Oblivion» sogar schon einmal mit Cruise zusammengearbeitet. Dass Kosinski trotzdem bei Cruise antraben und seine Filmidee vorstellen musste, zeigt, wie sehr «Top Gun» Cruise am Herzen gelegen hatte.

Hollywood wird tun, was Hollywood immer tut

Für Cruise ist also alles gut gelaufen. 36 Jahre nach «Top Gun» zementiert die Fortsetzung seinen Status als Megastar. Für uns Zuschauer bedeutet das, dass Hollywood noch mehr auf Nostalgie setzen wird. Mehr 80er-Jahre wollen die Leute, dürfte es nun in den Teppichetagen der Studios heissen. Die speziellen Voraussetzungen, die «Top Gun: Maverick» zu diesem Erfolg gemacht haben, werden dabei nur nebensächlich sein. Vor allem aber werden neue Fortsetzungen nicht über drei Jahrzehnte Zeit haben, um heranzureifen.

Top Gun Maverick
Bild: Paramount

Die Folge davon wird sein, dass wir in den nächsten Jahre lauter halb gare Sequels zu 80er-Jahr-Filmen vorgesetzt bekommen, die einen Kinobesuch nicht rechtfertigen.

Wenn dann die ganzen Copy Cats nicht an den Erfolg von «Top Gun: Maverick» anknüpfen können, werden sich die Verantwortlichen fragen, was schiefgelaufen ist, während die Filmfans wieder einmal monieren, dass Hollywood die Ideen ausgegangen sind.

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