Der Polestar 4 Long Range ist zweifellos ein interessantes und leistungsstarkes SUV-Coupé. Das fängt schon beim Design an. Polestar kombiniert klassische SUV-Elemente mit sportlichem Coupé-Design. Das steht dem Polestar 4 äusserst gut und sorgt zusätzlich für eine optimale Aerodynamik. Apropos Design: Polestar hat sich da etwas ganz Besonderes ausgedacht. Beim Polestar 4 fehlt nämlich die Heckscheibe. An ihrer Stelle gibt es Kameras, die für eine optimale Sicht nach hinten sorgen sollen.
Ob das nicht eher störend ist, durfte ich zwei Wochen lang selbst ausprobieren.

Exterieur
Bevor ich den Polestar 4 im Polestar Space Zürich abholen durfte, war ich zwei Wochen lang mit dem Polestar 3 unterwegs. Grössentechnisch schenken sich die beiden Elektroautos nur wenig. Ein Blick auf das Datenblatt verrät, dass der Polestar 4 etwa sechs Zentimeter kürzer ist als der Polestar 3. Das fällt allerdings kaum auf. Auffällig ist hingegen, dass der Polestar 4 etwas weniger hoch ist. Laut Datenblatt sind es ziemlich genau acht Zentimeter.

Mit dem Polestar 4 geht Polestar einen eigenständigen Weg, der das Modell klar von der Masse abhebt. Das auffälligste Merkmal ist zweifellos die fehlende Heckscheibe. Die Sicht nach hinten wird stattdessen über Kameras am Heck sichergestellt. Im Innenraum wird das Bild auf den digitalen Rückspiegel übertragen. Die fehlende Heckscheibe verleiht dem Polestar 4 sein einzigartiges, futuristisches Design, mit dem man auf der Strasse definitiv auffällt.

Die Frontpartie wird durch die markanten Schweinwerfer dominiert. Sie erinnern an das „Thor’s Hammer“-Design von Volvo, wirken aber beim Polestar 4 (und Polestar 3) nochmals etwas moderner. Dezente Details, wie der Polestar-Schriftzug in der Frontschürze oder die aerodynamischen Lufteinlässen an den Seiten runden das Bild gekonnt ab. Unter der Kühlerhaube befindet sich ausserdem ein Frunk (15 Liter), in dem sich beispielsweise das Ladekabel verstauen lässt.

Das Design des Polestar 4 polarisiert, das kann ich nach zwei Wochen definitiv sagen. Beim Laden wurde ich immer wieder auf die fehlende Heckscheibe angesprochen. Sei das nicht ein Nachteil? Auf diese Frage konnte ich keine abschliessende Antwort geben. Einerseits funktioniert die Heckkamera gut und der hochauflösende Rückspiegel bietet viele Anpassungsmöglichkeiten. Andererseits ertappte ich mich auch nach zwei Wochen immer wieder dabei, wie ich einen Seitenblick machen wollte und dabei einfach die Ambientebeleuchtung sah. Sagen wir es mal so, die fehlende Heckscheibe erachte ich nicht zwangsläufig als Nachteil, aber man muss sich schon arg umgewöhnen.

Interieur
Beim Einsteigen in den Polestar 4 ist mir sofort aufgefallen, dass Polestar diesmal auf ein grosses Display im Querformat setzt. Beim Polestar 3 gab es noch einen im Hochformat. Welches Format besser ist? Nun, ich tendiere zum Display im Querformat. Meiner Meinung nach lassen sich darüber deutlich mehr Informationen anzeigen. So gibt es beim Polestar 4 etliche Schnellfunktionen auf der rechten Displayhälfte, darunter zur Rekuperation oder Fahrmodi. Richtig coole wäre es jedoch, wenn sich das Touchscreen-Display wie bei BYD drehen lassen würde.

Das Cockpit besteht aus einem 10,2 Zoll Display für den Fahrer, einem 15,4 Zoll Touchscreen-Display und einem grossen Head-up-Display. Die Mittelkonsole ist freischwebend und bietet im unteren Teil viel Staufläche. Polestar setzt auch im Polestar 4 auf grösstenteils recycelte Materialien. Die Wertigkeit der Materialien leiden darunter nicht, im Gegenteil. Es fühlt sich alles wertig an und auch die Verarbeitung lässt keine Kritik zu.

Sehr gut gefallen hat mir das aufgeräumte Cockpit. Polestar verzichtet auf Designspielereien, was mir zusagt. Richtig cool sieht die Ambientebeleuchtung aus, deren Farbe sich nach Planeten über das grosse Touchscreen-Display anpassen lässt. So ändert der Mars die Ambientebeleuchtung auf Rot, die Erde auf Blau und der Jupiter auf Weiss. Cool sieht die Ambientebeleuchtung besonders an den Türinnenseiten aus, wo sich Polestar für kleine Sternchen entschieden hat. Das wiederum passt dann perfekt ins Setting der Planeten.

Praktisch alle Funktionen können über das zentrale Touchscreen-Display erreicht werden. Einzig die Anpassungen für das Lenkrad oder die Aussenspiegel, müssen via Touchscreen und Lenkradtasten erfolgen. Das macht die Bedienung etwas umständlich. Da hätte ich mir physische Tasten gewünscht, so wie etwas in meinem Privatfahrzeug, dem Skoda Karoq.
Wie sieht es eigentlich mit dem Platzangebot im Polestar 4 aus? Sehr gut! Vorne gibt es für Fahrer und Beifahrer sehr bequeme Sitze inklusive Sitzheizung und -lüftung. Was leider fehlt, ist die Massagefunktion, die ich im Polestar 3 zu schätzen wusste. Aber das ist nur ein Detail. Auch eine grössere Person, wie ich (ca. 188 cm) findet auf dem Fahrer- und Beifahrersitz ein grosszügiges Platzangebot vor.

Obwohl der Polestar 4 eine sportliche Silhouette verfügt, sitzt man auch auf den hinteren Sitzen bequem. Die Bein- und Kopffreiheit ist vorbildlich. Die etwas kleineren Seitenfenster und die fehlende Heckscheibe stören nicht weiter. Letzteres sorgt bei Nacht in Kombination mit der Beleuchtung im Fond für ein stimmungsvolles Ambiente. Weiterhin gibt es USB-C-Anschlüsse und eine Sitzheizung für die Passagiere

Das Kofferraumvolumen des Polestar 4 beträgt bei aufrechter Rücksitzbank 526 Liter. Mit umgeklappten Rücksitzen erweitert sich das Volumen auf 1.536 Liter, inklusive des Raums unter dem Ladeboden. Aufgrund der stark abfallenden Dachline ist die Höhe jedoch arg eingschränkt.
Infotainmentsystem
Wie beim Polestar 3 kommt auch beim Polestar 4 als Betriebssystem Android Automotive OS zum Einsatz. Dadurch harmoniert das System perfekt mit allen Google-Diensten wie Google Maps oder dem Sprachassistenten Google Assistant. Letzterer wird aber schon bald durch das KI-Modell Gemini ersetzt. Weiterhin steht der Google Play Store zur Verfügung, sodass bei Bedarf weitere Apps heruntergeladen werden können. Die Bedienung erfolgt im Polestar 4 wenig überraschend fast komplett über das zentrale Touchscreen.

Fahrverhalten
Der Polestar 4 in der Variante Long Range Dual Motor bietet eine Leistung von 400 kW, was umgerechnet 544 PS entspricht. Das maximale Drehmoment liegt bei 686 Nm, was man besonders im Sport-Modus auch spürt. Von 0 auf 100 km/h geht es in flotten 3,8 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 200 km/h elektronisch abgeriegelt. So oder so, ein schnelles Überholmanöver gelingt mit dem Polestar 4 einfach und zaubert auch immer wieder mal ein Lächeln ins Gesicht des Fahrers.

Während mir die Dämmung im Polestar 3 eher negativ aufgefallen ist, gab es in dieser Hinsicht beim Polestar 4 nichts zu kritisieren. Aussengeräusche werden kaum wahrgenommen, auch nicht bei hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn. Doch nicht nur auf der Autobahn macht der Polestar 4 mächtig Spass. Auch auf kurvenreichen Strassen überzeugt er. Auf der Strasse hält sich der Polestar 4 sehr gut, fast so, als wäre man auf Schienen unterwegs. Trotz einer beachtlichen Fahrzeuglänge zeigte sich der Polestar 4 als erfreulich agiles Fahrzeug.
Der Polestar 4 bietet wie der Polestar eine zweistufige Rekuperation, die sich über das Touchscreen auswählen lässt. Auch wenn es nicht ins "Design-Konzept" passen dürfte, hätte ich mir für die Rekuperation physische Tasten bzw. eine Schaltwippe, wie beim Hyundai IONIQ 5 N gewünscht. Auch ein "Kriechen-Modus" ist mit dabei, sprich das Fahrzeug kommt mit aktiver Rekuperation nicht ganz zum Stillstand.

Der Polestar 4 Long Range Dual Motor bietet so ziemlich alle Assistenzsysteme an, die es aktuell zu haben gibt. Angefangen mit dem adaptiven Tempomat, der auf der Autobahn sehr zuverlässig funktionierte. Gut hat auch die Erkennung von herannahenden Fahrzeugen geklappt. Das Fahrzeug informierte zuverlässig mittels akkustischer Signale über die heranfahrende Gefahr. Was zumindest in der Schweiz nicht so gut geklappt hat, ist die Verkehrszeichenerkennung. Hier gab es immer wieder mal Verwechslungen, was auf der Autobahn zu einem unnötigen Abbremsen führte.

Reichweite und Laden
Der Polestar 4 Long Range Dual Motor verfügt über eine 100 kWh Batterie. Davon sind immerhin 94 kWh nutzbar. Polestar gibt eine WLTP-Reichweite von bis zu 590 Kilometern an. Unter frühlingshaften Temperaturen erreichte der Polestar 4 im Test immerhin gute 500 Kilometer im Mischverkehr (Autobahn und Landstrassen kombiniert). Wie immer gilt es zu berücksichtigten, dass sich kalte Temperaturen und eine flotte Fahrweise negativ auf die Reichweite auswirkt.
Und wie sieht es mit Laden an der Schnellladestation aus? Polestar gibt eine maximale Ladeleistung von 200 kW (DC) an. Damit lässt sich die grosse Batterie laut Datenblatt von 10 auf 90 Prozent in ca. 30 Minuten aufladen. Im Test konnte ich diese Geschwindigkeit trotz Vorkonditionierung der Batterie nicht erreichen. In der Regel bewegte sich die Ladegeschwindigkeit im Durschnitt um die 140 kW. Dabei zeigte das Fahrdisplay ein Restakku von 25% an.

Das Testfazit zum Polestar 4 Long Range Dual Motor
Der Polestar 4 Long Range Dual Motor verbindet gekonnt eine sportliche Fahrleistung mit einem hohen Mass an Komfort. Das futurischtische Aussendesign und die cleane Optik im Innenraum überzeugen. Sowohl Fahrer und Beifahrer wie auch Gäste im Fond erwarten ein grosszügiges Platzangebot. Lange Strecken lassen sich so komfortabel zurücklegen. Der Fahrspass kommt beim Polestar 4 in der Long Range Dual Motor Variante definitiv nicht zu kurz. Er bietet eine sehr gute Kurvenhaltung und eine flotte Beschleunigung.
Die fehlende Heckscheibe ist zwar das Alleinstellungsmerkmal des Polestar 4, konnte mich aber selbst nach zweiwöchiger Nutzung nicht vollends überzeugen. Die fast ausschliesslich über den Touchscreen umgesetzte Bedienung setzt eine kurze Eingewöhnungszeit voraus, danach gelingt aber auch sie ganz gut. Dank Android Automotive OS ist das Fahrzeug auch "smart" und lässt sich mit Apps aus dem Google Play Store erweitern.
Kurzum: Der Polestar 4 Long Range Dual Motor ist ein herausragendes Elektro-SUV-Coupé, das Performance, Reichweite, Design und Technologie stimmig verbindet. Wer ein sportliches, hochwertiges und alltagstaugliches Elektroauto sucht, sollte den Polestar 4 definitiv in die engere Wahl ziehen.