Mit Watt statt Benzin: Unser Erfahrungsbericht zum E-Auto-Strandtrip
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Erfahrungsbericht Polestar Elektroauto

Mit Watt statt Benzin: Unser Erfahrungsbericht zum E-Auto-Strandtrip

Bruno Rivas
Bruno Rivas

Inhaltsverzeichnis

Es ist ein Argument, das ich immer wieder mal zu hören bekomme: Ein Elektroauto eignet sich nicht für die Langstrecke. Dass das nicht stimmt, habe ich eigentlich schon letztes Jahr widerlegt. Damals sind wir mit dem Nissan Ariya Evolve 400 in den Urlaub nach Südfrankreich gereist. Das waren immerhin schon gegen die 900 Kilometer, die wir damals problemlos zurückgelegt haben.

Dieses Jahr wollte ich es aber nochmals wissen. Diesmal haben wir sogar eine Strecke von über 1000 Kilometern in Angriff genommen. Mit dem Polestar 4 Long Range Dual Motor ging es von Frauenkappelen (Schweiz, in der Nähe von Bern) in Richtung Cambrils (Spanien). Um ganz genau zu sein, entspricht das einer Strecke von 1062 Kilometern - pro Weg. Hin und zurück ergibt sich somit eine Strecke von über 2100 Kilometern.

Erfahrungsbericht als Video

Von der Schweiz nach Spanien, und das mit 544 PS!

In diesem Jahr war Polestar Schweiz so freundlich und hat uns den Polestar 4 Long Range Dual Motor für unseren Trip nach Spanien (und zurück) bereitgestellt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön dafür!

Der Polestar 4 Long Range Dual Motor ist mit einem Elektro-Doppelmotor mit einer Systemleistung von 400 kW ausgestattet, was umgerechnet 544 PS entspricht. Das maximale Drehmoment liegt bei 686 Nm. Von 0 auf 100 km/h beschleunigt der Elektroflitzer in flotten 3,8 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 200 km/h elektronisch abgeriegelt. Selbstredend eignet sich der Polestar 4 mit diesen Leistungsdaten für eine flotte Fahrweise, hinzu kommt ein sehr gut abgestimmtes Fahrwerk.

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Dank der grossen 100-kWh-Batterie erreicht der Polestar 4 eine Reichweite von 590 Kilometern nach WLTP-Standard. Der Energie-Verbrauch gibt Polestar mit 18,7 bis 21,7 kWh an. Das kommt ungefähr hin. Auf unserer Reise hatten wir einen durchschnittlichen Verbrauch von etwas über 20 kWh auf 100 km. Am Schnelllader sind maximal 200 kW möglich. Im Alltag sind 150 kW im Peak realistisch.

Ja, wir hatten ziemlich viel Gepäck dabei. Aber wie man sieht, es hatte alles seinen Platz. | Bild: vybe

Wer knapp zwei Wochen in den Urlaub reist, der nimmt in der Regel etwas mehr Gepäck mit. Folgerichtig ist man dann auch auf einen geräumigen Kofferraum angewiesen. Laut Hersteller verfügt der Polestar 4 über ein Kofferraumvolumen von 526 Litern. Allerdings ist diese Angabe mit etwas Vorsicht zu geniessen. Da es sich um ein SUV-Coupé handelt, kann nicht über eine Heckablage hinaus beladen werden. Das schränkt bei grossen Koffern etwas ein. Dennoch haben wir es hinbekommen, im Polestar 4 zwei richtig grosse Koffern + weiteres Gepäck sicher im Kofferraum unterzubringen.

Kostenloses Laden im Hotel: Ja, auch das gibts! | Bild: vybe

Unser Trip nach Spanien im Detail

In diesem Jahr sind wir zusammen mit meinem Bruder und seiner Familie in den Urlaub nach Spanien gefahren. Bei der Hinreise haben wir uns dazu entschieden, einen Zwischenhalt mit Übernachtung im Süden von Frankreich einzulegen. Die Wahl fiel auf das Dorf Torreilles. Dort übernachteten wir im kleinen, aber wunderschönen La Maison Gaia Hôtel & Spa. Ein Vorteil des Hotels war, dass sie eine Ladestation verfügen und der Strom sogar völlig kostenlos anboten (exklusiv Gebühr für den Parkplatz).

Das ergibt folgende Strecken bei der Hinfahrt:

  • Frauenkappelen (Schweiz) nach Torreilles (Frankreich) - 747 Kilometer
  • Torreilles (Frankreich) nach Cambrils (Spanien) - 315 Kilometer

Total sprechen wir somit bei der Hinreise von einer Strecke von 1062 Kilometern. Beim Rückweg in die Schweiz haben wir uns offen gelassen, ob wir allenfalls einen Halt inkl. Übernachtung in Frankreich machen werden. Da wir trotz relativ hohem Verkehrsaufkommen gut vorwärts gekommen sind, haben wir uns gegen einen zusätzlichen Halt entschieden. Wir sind somit auf dem Rückweg direkt von Cambrils in die Schweiz zurückgereist. Das entspricht einer Strecke von ziemlich genau 1050 Kilometer.

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Diese Ladestopps waren notwendig

Vorab habe ich über verschiedene Apps (u. a. ABRP und Fastned) geprüft, wie viele Ladestopps voraussichtlich für die Hinfahrt notwendig sind. Je nach App wurden mir jeweils 3-4 Ladestopps angezeigt - abhängig davon, wie lange man an einer Ladestation verweilen wollte. Das eingebaute Navigationssystem (Google Maps) im Polestar 4 Long Range Dual Motor zeigte mir ebenfalls 3 Ladestopps bis Torreilles an.

Der Weg nach Spanien

Wie viele Ladestopps waren letztendlich wirklich nötig? Es waren genau zwei, also weniger als vorab angedacht. Allerdings haben wir jeweils länger an den Raststätten verweilt als geplant. Der Grund hierfür? Wir verreisten, wie oben erwähnt, mit meinem Bruder und seiner Familie. Sie haben ein Kleinkind, das jeweils etwas zu essen bekam. Statt der geplanten 20 bis 30 Minuten pro Ladestopp wurden es dann halt je 44 Minuten.

Ja, da hinten lädt der Polestar 4, während ich gemütlich ein Kaffee am trinken bin | Bild: vybe

Die langen Stopps waren wirklich nicht sinnvoll bzw. effizient. Bekanntlich reduziert sich die Ladegeschwindigkeit eines Elektroautos spätestens ab 80 Prozent merklich. Unterm Strich hätten wir die Strecke schneller bewältigen können, wenn wir die Ladestopps früher beendet hätten. Folgende Ladestopps haben wir auf dem ersten Teil der Hinfahrt eingelegt:

  • Aire de Portes de la Drome: 363 Kilometer gefahren, 44 Minuten Ladezeit von 30 auf 91% geladen
  • Aire d'Ambrussum Nord: 207 Kilometer gefahren, 44 Minuten Ladezeit von 52 auf 98% geladen

Beim Hotel konnten wir das Auto dann über Nacht wieder auf 100% und kostenlos aufladen. Danach ging es ohne Ladestopp bis Cambrils. Der Verbrauch des Polestar 4 lag übrigens bei 20,2 kWh auf 100 km bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 105,7 km/h.

Der Weg zurück in die Schweiz

Wir haben den Rückweg von etwas über 1050 Kilometern ohne zusätzliche Übernachtung bewältigt. Für diese Strecke waren insgesamt drei Ladestopps notwendig. Wir sind in Cambrils mit einem Akku von 83 % losgefahren.

Ein letzter Halt bei IONITY kurz vor der Schweizer Grenze| Bild: vybe

Der erste Stopp haben wir nach rund 335 Kilometer im Süden von Frankreich eingelegt. Bei einem grossen Ladepark von Total Energies, wo es sogar kostenlose Staubsauger für Elektroautofahrer gab, haben wir etwas über 30 Minuten den Polestar 4 von 23 auf 86 Prozent aufgeladen.

Unerwartet lange haben wir beim zweiten Ladestopp in Montelimar das Fahrzeug aufgeladen. Das Problem lag jedoch nicht an der Ladestation, sondern an McDonalds. 😄Es war gegen 20 Uhr und wir hatten alle Hunger. Da bot sich McDonalds regelrecht an. Offensichtlich hatten aber noch viele andere genau denselben Gedanken wie wir. Bis wir unsere Bestellung aufgegeben, erhalten und gegessen hatten, vergingen knapp eine Stunde. Tja, da war der Polestar 4 dann auch schon wieder vollgeladen.

  • Aire de la Palme Est: 334 Kilometer gefahren, 33 Minuten Ladezeit von 23 auf 86% geladen
  • Aire de Montelimar Est: 264 Kilometer gefahren, 55 Minuten Ladezeit von 51 auf 100% geladen
  • Aire de Mouxy: 226 Kilometer gefahren, 19 Minuten Ladezeit auf 81% geladen

Den letzten Stopp haben wir ein paar Kilometer vor der Schweizer Grenze gemacht. Dort haben wir den Polestar 4 auf etwas über 80% aufgeladen. Danach ging es ohne weiteren Halt zurück in die Schweiz bzw. nach Frauenkappelen.

Elektroauto: Ladeinfrastruktur in Frankreich und Spanien

Bereits im vergangenen Jahr war ich von der Ladeinfrastruktur in Frankreich sehr beeindruckt. Die ohnehin gute Ladeinfrastruktur entlang der Autobahnen wurde noch einmal verbessert. Wartezeiten an den Ladestationen hatten wir keine. An jeder Ladestation gab es genügend freie Plätze. Wohlgemerkt: Wir sind in der Hochsaison gereist. Positiv hervorzuheben ist ausserdem, dass die Ladestationen auf der Autobahn beschildert sind.

In Frankreich gabs für Elektroautos sogar kostenlose Staubsauger | Bild: vybe

In puncto Elektroauto/Ladestation war Spanien für mich hingegen Neuland. Zwar wusste ich vorab, dass es entlang der von uns gefahrenen Autobahn Ladestationen gab, aber wie gut diese sind und ob sie überhaupt funktionieren, ist eine andere Frage. Die gute Nachricht war, dass wir unser Fahrzeug auch in Spanien rund um unsere Feriendestination Cambrils aufladen konnten. Allerdings waren zahlreiche Ladestationen ausser Betrieb. Zudem fehlten grösstenteils Beschilderungen auf den Autobahnen, die anzeigen, ob eine Ladestation vorhanden ist oder nicht. Da kann sich Spanien definitiv noch etwas von Frankreich abschauen.

Viele neue Ladestationen in Cambrils, aber nur zwei Ladepunkt mit 150 kW waren in Betrieb | Bild: vybe

In Frankreich und Spanien konnten wir den Polestar 4 dennoch problemlos aufladen. Die in Betrieb befindlichen Ladestationen funktionierten einwandfrei und haben das Fahrzeug schnell aufgeladen.

Was kostet das Laden in Frankreich und Spanien?

Das ist eine wichtige Frage, die nicht unbeantwortet bleiben soll. In Frankreich ist Strom vergleichsweise günstig. Bei IONITY und Fastned haben wir in Frankreich 55 Cent (IONITY), 59 Cent (Fastned) und bei TotalMobiles für 0,62 Cent pro kWh bezahlt. Sowohl IONITY als auch Fastned bieten Abonnements an, mit denen sich der kWh-Preis nochmals senken lässt. Gerade auf einer längeren Strecke kann es sich lohnen, eines dieser Abos zu wählen – zumal sie monatlich gekündigt werden können.

Auch in Spanien sind die Preise an den Schnellladestationen grösstenteils angemessen. Es lohnt sich jedoch, vorab einen Preisvergleich der verschiedenen Anbieter zu machen. So haben wir bei IONITY 62 Cent pro kWh und bei Fastned 59 Cent pro kWh bezahlt.

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Fazit zu unserer Reise nach Spanien und zurück

Ich wusste bereits im Vorfeld, dass es in Frankreich keine Probleme mit Ladestationen geben wird. Schon im vergangenen Jahr war die Ladeinfrastruktur bei unseren Nachbarn vorbildlich. Innerhalb eines Jahres hat sie sich sogar noch verbessert. An allen grossen Tankstellen entlang der französischen Autobahnen gibt es genügend Ladestationen. Dadurch kommt es auch nicht zu langen Wartezeiten – im Gegenteil. Wir mussten nie auf einen freien Platz warten – und das in der Hochsaison.

In Spanien sehe ich noch Entwicklungspotenzial bei den Ladestationen. Sie existieren zwar, aber nicht in dem Ausmass, wie man es aus Frankreich kennt. Auf den spanischen Autobahnen sind die Ladestationen oftmals etwas versteckt, hatten Betriebsstörungen und die Anzahl der Ladeplätze kann mit Frankreich nicht mithalten. Zudem fehlen in Spanien fast gänzlich Beschilderungen auf den Autobahnen.

Letztendlich ist es problemlos möglich, mit einem Elektroauto nach Spanien zu reisen. Es gibt ausreichend Ladestationen. Es ist jedoch empfehlenswert, sich vorab mit der Ladeplanung zu beschäftigen. Wo kann ich mein Elektroauto laden? Welche Apps oder RFID-Karten werden benötigt? All das kann das Leben deutlich vereinfachen. Für unsere Reise haben wir ausschliesslich die ChargeNow-RFID-Karte genutzt, die uns Polestar freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Sie umfasst sehr viele Ladeanbieter und vereinfacht das Laden somit erheblich.

Fakt ist: Mit einem Elektroauto musst du aktuell mehr und längere Pausen einplanen als mit einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Dieses Manko wird sich jedoch in den nächsten Jahren deutlich verbessern, sobald die nächste Generation von Batterien auf den Markt kommt. Mehr Reichweite und schnelleres Laden sind die Zukunft und diese ist gar nicht mehr so weit entfernt. Ausserdem haben die längeren Pausen einen positiven Nebeneffekt: Nach 30 bis 40 Minuten Pause ist man fitter und kann die nächsten Kilometer in Angriff nehmen.

Auch ein Punkt, der nicht unerwähnt bleiben soll: Die Preise an den Ladestationen, die leider stark variieren. Besonders in Frankreich lässt sich das Elektroauto bei den bekannten Ladeanbietern IONITY und Fastned ziemlich günstig aufladen. Im Vergleich zur Schweiz, wo der kWh-Preis bei happigen 0,76 Rappen (IONITY) bzw. 0,73 Rappen (Fastned) liegt, sind die Preise in Frankreich und auch in Spanien deutlich attraktiver.

Würde ich wieder eine lange Strecke mit einem Elektroauto zurücklegen? Diese Frage kann ich guten Gewissens mit „Ja” beantworten.