Es ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal mit einem Polestar unterwegs war. Um genau zu sein, ist es schon weit über zwei Jahre her, damals mit dem Polestar 2 in der Variante Long Range Single Motor. Höchste Zeit also, mal wieder mit einem Polestar unterwegs zu sein.
Gesagt, getan: Zwei Wochen lang habe ich den Polestar 3 in der Variante Long Range Dual Motor mit Performance Pack unter die Lupe nehmen dürfen. Was kann der Luxus-SUV, der wie der Volvo EX90 auf der Scalable Product Architecture 2 basiert? Das und noch viel mehr erfährst du in unserem ausführlichen Testbericht.
Exterieur
Das Design des Polestar 3 orientiert sich an der skandinavischen Formensprache, die wir bereits von Polestar kennen. Er kommt allerdings mit einem SUV-spezifischeren Charakter daher. Die Seitenlinie zeichnet sich durch eine coupéhafte Silhoutte mit sanft abfallenden Dachlinie aus, die in einen Dachspoiler müdet. Versenkbare Türgriffe tragen zur aerodynamischen Effizienz bei und sorgen für eine glatte und gleichzeitig elegante Oberfläche.

Die Frontpartie wird von den „Thor’s Hammer“-LED-Tagfahrleuchten dominiert. Diese sind horizontal geteilt, was dem Fahrzeug einen futuristischen Touch verleiht. Hinzu kommt ein Aero Wing/Blade, ein zusätzlicher Spoiler auf der Kühlerhaube, was für eine noch bessere Aerodynamik sorgen soll. Das Heck wird durch das durchgehende LED-Leuchtenband geprägt.

Interieur
Polestar ist sichtlich stolz auf sein Engagement für Nachhaltigkeit. Viele der im Polestar 3 verwendeten Materialien sind recycelbar. Die nachhaltige Materialwahl hat jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Wertigkeit oder den Komfort. Optisch gibt das Interieur viel her und kann so auch mit Premium-Marken mithalten. Angesichts des hohen Preise darf das definitiv erwartet werden, denn da spielt Polestar mit dem Polestar 3 auch in der Premium-Liga mit.

Die elektrisch verstellbaren Sitze für den Fahrer- und Beifahren bieten viel Komfort. Bei unserem Testwagen gab es neben einer Sitzheizung und -kühlung ebenfalls eine tolle Massagefunktion, die ich bei meinem privaten Fahrzeug ziemlich schnell vermisst habe. Die Steuerung geschieht fast vollumfänglich über das zentrale 14,5 Zoll-Touchscreen. Hinzu kommen ein kleineres Cockpit- sowie ein Head-Up-Display für den Fahrer. Auf physische Tasten verzichtet Polestar fast gänzlich. Hervorragend klingt das optional erhältliche Bowers & Wilkins Soundsystem mit Dolby Atmos.
Aber auch im Fond muss nicht auf Komfort verzichtet werden. Selbst wenn drei Erwachsene auf den hinteren Plätzen sitzen, ist das Platzangebot nicht eingeschränkt. Und ja, auch grössere Personen finden problemlos Platz und müssen nicht befürchten, sich den Kopf am Dachhimmel zu stossen. Im Winter dürfen sich die Gäste im Fond auch über eine Sitzheizung freuen. Ebenfalls gibt es zwei USB-C-Anschlüsse, um etwa das Tablet auf langen Fahren mit Strom zu versorgen.

Dass der Polestar auch als luxuriöses Familienauto geeignet ist, offenbart sich im Kofferraum. Mit einem Kofferraumvolumen von 484 Liter bietet er viel Stauraum. Sollte mal etwas sperriges transportiert werden, lässt sich die Rücksitzbank umklappen. Dann stehen bis zu 1411 Liter Koferraumvolumen zur Verfügung. Hinzu kommt noch ein kleiner Frunk mit 32 Liter unter der Motorhaube. Da lässt sich beispielsweise das Ladekabel gut verstauen.

Infotainmentsystem: Mit Google Android Automotive
Der Polestar 3 ist mit dem Android Automotive OS ausgestattet. Dieses System ermöglicht die nahtlose Integration aller Google-Dienste wie Google Maps, Assistant (demnächst Gemini) oder YouTube (Music). Zudem werden Updates over-the-air verteilt, so dass der Polestar 3 dafür nicht in die Garage muss. Weitere Apps können ebenfalls über den Google Play Store installiert werden. Das System läuft insgesamt flüssig und ist bisher gut bedienbar. Wer bisher ein Fahrzeug mit vielen physischen Knöpfen gefahren ist, muss sich allerdings umgewöhnen. Die Bedienung erfolgt, wie bereits erwähnt, fast ausschließlich über den zentralen Touchscreen.

Da der Polestar 3 auch UWB unterstützt, kann ein kompatibles Smartphone zum Öffnen und Schließen des Fahrzeugs verwendet werden. Das Smartphone muss dazu nicht aus der Tasche genommen werden. Ansonsten gibt es einen kleinen Funksensor sowie Schlüssel im Kreditkartenformat, mit denen das Fahrzeug geöffnet und anschliessend gestartet werden kann. Der kleine Funksensor bereitete uns allerdings hin und wieder Probleme. Das Fahrzeug liess sich damit nicht entsperren. Deshalb mussten wir stattdessen auf den Schlüssel in Kreditkartenformat zurückgreifen.Wie eine Internetrecherche ergab, ein bekanntes Problem.
Fahrverhalten
Werfen wir zunächst einen Blick auf die technischen Angaben des Polestar 3 Long Range Dual Motor mit Performance Pack. Wie es der Namen schon verrät, verfügte unser Testfahrzeug ein Allradantrieb. Die Systemleistung kombiniert beträgt 380 kW (517 PS) bei einem Drehmoment von 910 Nm. Die Leistung verteilt sich auf 180 kW vorne und 200 kW hinten. Damit beschleunigt der Polestar 3 in 4,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 210 km/h erreicht.
Die Beschleunigung ist nicht ganz so brachial wie beispielsweise bei einem Hyundai IONIQ 5 N, aber auch der Polestar 3 zaubert immer wieder ein Lächeln ins Gesicht und bietet mehr als genug Leistung. Vor allem im Performance-Modus. Dabei darf man nie vergessen, dass man mit einem knapp 2,6 Tonnen schweren Fahrzeug unterwegs ist. Zumindest beim Beschleunigen ist von dem hohen Gewicht nichts zu spüren.

Was mich persönlich etwas gestört hat, sind die deutlich wahrnehmbaren Windgeräusche. Vor allem auf der Autobahn sind sie omnipräsent. Bei der ersten Autobahnfahrt von Zürich nach Bern dachte ich zuerst, ich hätte irgendwo ein Fenster nicht ganz geschlossen. Aber nein, es waren alle Fenster geschlossen. Zumindest werden die Aussengeräusche von dem beeindruckenden Bowers&Wilkins-Soundsystem (im Plus-Paket) übertönt.
Und wie verhält sich das Fahrzeug auf kurvenreichen Strassen? Auch da gibt es nichts auszusetzen. Dank aktivem Torque Vectoring (Drehmomentverteilung) sowie der straffen und direkten Lenkung (Modus auf "Fest") machen Passausfahrten viel Spass. So lässt sich der Polestar 3 auch in engen Kurven zügig bewegen, was sich sehr positiv auf den Fahrspass auswirkt. Die bei den Allradversionen serienmässige, adaptive Luftfederung des Fahrwerks funktioniert einwandfrei. Sie lässt sich über das Touchscreen-Display in drei Modi einstellen, die sich direkt auf das Federungsgefühl auswirken. So federt das Fahrwerk im Modus Sport spürbar straffer als im Modus Komfort.

Serienmässig verfügt der Polestar 3 über eine relativ starke Rekuperation. Wenn man vom Gas geht, ist die Bremswirkung hoch. Für meinen Geschmack etwas zu hoch, deshalb habe ich sie auf "niedrig" eingestellt. Wer gar keine Rekuperation wünscht, kann sie auch ganz deaktivieren. Die Anpassungen können auch dafür nur direkt über das Touchscreen-Display vorgenommen werden. Da habe ich die Schaltwippen des IONIQ 5 N-Line schon etwas vermisst. Der Polestar 3 kann auch "kriechen", diese Funktion kann aber auf Wunsch deaktiviert werden.
Der Polestar 3 ist das erste Fahrzeug von Polestar, das den Drive-Core-Computer von Nvidia in Kombination mit Software von Polestar/Volvo nutzt. Dem System stehen zahlreiche Sensoren, Kameras und Radarmodule zur Verfügung. Damit werden einerseits die Fahrassistenzsysteme betrieben und andererseits der Innenraum überwacht. Unachtsamkeiten werden vom System schnell erkannt, beispielsweise wenn sich der Fahrer während der Fahrt zu lange mit dem Infotainmentsystem beschäftigt. Die Fahrassistenzsysteme arbeiten insgesamt zuverlässig.
Kurzum: Der Polestar 3 bietet ein hervorragendes Fahrverhalten und hinterlässt auch auf Passstrassen einen tadellosen Eindruck.

Reichweite und Laden
Im Polestar 3 ist eine gigantische 111-kWh-Batterie (107 kWh nutzbar) integriert. Damit kommt der sportliche Luxus-SUV auf eine WLTP-Reichweite von bis zu 591 Kilometern. In der Realität liegt die Reichweite etwas unterhalb dieser Angabe, allerdings weicht sie erfreulicherweise nicht so stark ab - zumindest nicht unter frühlingshaften Temperaturen. Aber wie bei jedem Auto, ob Elektro- oder Verbrennungsmotor, hängt der Verbrauch vom Fahrer ab. Bei mir ergab sich ein Durchschnittsverbrauch von 23,6 kWh auf 100 km. Ein vertretbarer Wert angesichts der gebotenen Systemleistung und des Gewichts.
Obwohl beim Polestar 3 weiterhin auf eine 400-Volt-Archtektur gesetzt wird, wirbt der skandinavische Hersteller mit einer maximalen Ladeleistung von bis zu 250 kW. Diese Leistung wird allerdings nur an einem Supercharger erreicht, da die Ladestationen von Tesla scheinbar kurzzeitig mehr Ampere abgeben können. In der Realität ist die Ladeleistung von 250 kW kaum zu erreichen.

Dies zeigte sich auch an mehreren Schnellladestationen von GoFast, IONITY oder Migros M-Charge. Ehrlich gesagt war ich von der Ladeleistung etwas enttäuscht. Ich muss aber auch sagen, dass ich direkt vor dem Polestar 3 mit dem IONIQ 5 N-Line von Hyundai unterwegs war. Dieser bietet bekanntlich eine 800-Volt-Technologie, die deutliche Vorteile bei der Ladeleistung bringt. Während der IONIQ 5 N-Line auch bei 40 Prozent Akkustand noch mit knapp über 200 kW lud, bot mir der Polestar 3 leider nur etwas über 100 kW.
Ja, das war dann schon eine etwas enttäuschende Leistung. Ich habe dann etwas im Internet recherchiert und fand dabei heraus, dass der Polestar 3 scheinbar erst bei 20% Batteriestand seine volle Ladeleistung entfaltet - und dies natürlich auch nur für eine kurze Zeit, wie es grundsätzlich bei Elektroautos üblich ist. Die Ladekurve könnte aus meiner Sicht aber besser sein. Ein Wechsel auf die 800-Volt-Technologie wäre aus Sicht von Polestar sicher kein schlechter Entscheid.

Das Testfazit zum Polestar 3 Long Range
Der Polestar 3 Long Range überzeugt durch sein gelungenes Design, sein grosszügiges Platzangebot, seine grosse Batterie und seinen hohen Fahrkomfort. Der Innenraum kann als luxuriös bezeichnet werden. Die Sitze für Fahrer und Beifahrer bieten jeden erdenklichen Komfort. Dazu gehören beispielsweise eine Sitzheizung und -lüftung sowie eine hervorragende Massagefunktion.
Wer ein möglichst effizientes Elektroauto sucht, der ist beim Polestar 3 Long Range an der falschen Adresse. Dank seiner grossen Batterie erreicht er zwar durchaus gute Reichweiten, der Verbrauch bewegt sich dennoch auf einem hohen Niveau. Bei der Ladeleistung wünschte ich mir den Wechsel auf eine 800-Volt-Plattform und entsprechend höheren Ladegeschwindigkeiten.
Insgesamt präsentiert sich der Polestar 3 Long Range als überzeugendes Elektro-SUV mit Premiumanspruch. Dies spiegelt sich auch im Preis wider. Das von uns gefahrene Testauto hat einen Preis von über 100'000 Schweizer Franken.