Abenteuerfilme sind ein fast ausgestorbenes Genre. Grund, genug, einem «Klassiker» eine zweite Chance zu geben.
Urwald, Ruinen und ein sagenumwobener Schatz. Dieser Film hat alles. Auch einen sprechenden Affen. (Symbolbild: cbu)
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Dieser kultige Abenteuerfilm ist zu Unrecht verhasst

Chris Bucher
Chris Bucher

Als Steven Spielbergs «Jurassic Park» 1993 in die Kinos kam, stellte der Blockbuster in vielfacher Hinsicht eine Zäsur in der Filmgeschichte dar. Erstmals kamen grossflächig computergenerierte Spezialeffekte zum Einsatz und nie zuvor sahen Dinosaurier realistischer aus als in diesem Meisterwerk.

Kein Wunder also wollte Hollywood diesen Erfolg wiederholen. So schnell wie möglich. Und die Aussichten standen gut, denn «Jurassic Park» lag ein Roman des amerikanischen Schriftstellers Michael Crichton (1942 - 2008) zu Grunde. Und der gute Mann hatte noch eine ganze Reihe Genre-Romane im Angebot. Einer davon: der Abenteuerroman «Congo».

In dem Roman reist ein Forscherteam in den afrikanischen Dschungel, um nach verschollenen Kollegen und einem legendären Schatz zu suchen. Dabei stossen sie auf eine tödliche Bedrohung, die ein uraltes Geheimnis bewacht. Crichtons Absicht mit dem Buch war es, eine (für die Entstehungszeit 1980) moderne Version des klassischen Abenteuerromans zu schreiben, wie sie von Romanciers wie Joseph Conrad oder H. Rider Haggard geprägt wurden.

«Jurassic Park»-Talente ziehen in den «Congo»

Tatsächlich gab es Jahre vor «Jurassic Park» schon Bemühungen, den Stoff zu verfilmen. Sämtliche Vorhaben versandeten aber. Einzig ein Videospiel erblickte das Licht der Welt – wenn auch aufgrund von einem Rechtechaos unter dem Namen «Amazon».

Nachdem Spielbergs Dino-Meisterwerk jedoch ein durchschlagender Erfolg wurde, konnte es für alle Beteiligten nicht schnell genug gehen und bald schon kümmerten sich illustre Namen um die Verfilmung, die auch schon bei «Jurassic Park» ihre Finger im Spiel hatten. Etwa Produzentin Kathleen Kennedy, Produzent Frank Marshall, der für «Congo» auf dem Regiestuhl sass, und Special-Effects-Zauberer Stan Winston.

Ein zweiter «Jurassic Park» wurde «Congo» jedoch nicht. An den Kinokassen kam er bescheiden weg und sowohl Kritiker als auch Fans liessen kaum ein gutes Haar an dem Film. Selbst heute noch taucht der Film in «Worst of…»-Listen auf.

Der perfekte B-Movie

Und das finde ich eine absolute Frechheit. Klar, an «Jurassic Park» kommt er nicht ran, aber himmelherrgottnochmal, sieht denn keiner, wie unfassbar unterhaltsam dieser Streifen ist? Und das – meiner Meinung nach – völlig bewusst! Mir kann doch keiner sagen, dass sich Branchenprofis wie Kennedy und Marshall Tim Currys völlig überdrehte Performance angeschaut und den Film als etwas anderes als grandios unterhaltsamen Edeltrash eingestuft haben?

Ein Gin-schlürfender Gorilla, der Zeichensprache beherrscht? Eine mit Diamanten betriebene Laserwaffe? Eine mutierte Rasse menschenfressender Horroraffen? Und der gottverdammte Sesamkuchen? Leute, checkt ihr's nicht? Unterhaltsamer als das kann's in diesem Genre gar nicht mehr werden!

«Congo» ist der perfekte B-Movie mit dem Budget eines damaligen Blockbuster-Films (Angeblich soll der Film um die 50 Millionen Dollar gekostet haben. Als Vergleich: «Jurassic Park» hat 60 Millionen gekostet). «Congo» wurde mit Herz und Handwerk gemacht und hat teils verblüffenden Tricks, auch wenn viele Nörgler das Gegenteil behaupten.

Den ganzen Hass gegen die Effekte kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Was hier mit Miniaturmodellen, CGI, Animatronics und Kostümen gemacht wurde, verkauft die Illusion eines menschenfeindlichen Urwalds im tiefsten Afrika samt Ruinenstadt und Killeraffen perfekt. Besonders gemessen daran, dass der Streifen überwiegend in Kalifornien gedreht wurde.

Ein toller Cast verkauft den Spass

Obwohl Dylan Walsh als Hauptfigur Peter Elliot samt Gorilla-Anhängsel Amy eine eher blasse Figur abgibt, ist es vor allem die restliche Besetzung, die für Laune sorgt. Laura Linney («Ozark») gibt die resolute und erfinderische Karen Ross und hat das seltene Privileg, eine weibliche Figur in einem Abenteuerfilm zu spielen, die nicht dauernd um ihr Leben kreischend gerettet werden muss. Ernie Hudson («Ghostbusters») liefert als Captain Monroe Kelly den «great white hunter, that happens to be black» und damit die Performance, die ihm nach eigenen Angaben am meisten Freude bereitet hat. Ich kann's ihm nicht verübeln. Sein Kelly ist tough, clever und sehr sympathisch.

Mein ungeschlagenes Highlight ist aber Tim Curry («Rocky Horror Picture Show»), der mindestens einen Gang drüber den rumänischen Schatzjäger Herkermer Homolka spielt. Ein geldgieriger und dubioser Schleimbeutel und Betrüger. Inklusive Ostblock-Akzent und herrlicher Gesichtsakrobatik. Umso grösser war für mich die Enttäuschung, als ich den Roman zur Hand nahm und feststellte, dass diese Figur in der Vorlage gar nicht existiert.

Weitere Highlights sind Bruce Campbell ("Evil Dead") in einer Cameo-Rolle und – trotz nur wenigen Minuten Screentime fast so kultig wie Tim Curry – Delroy Lindo («Sinners») als opportunistischer Armee-Captain. Stichwort: Sesamkuchen.

Absolut legendär.

Es ist nicht alles ein Diamant, das glänzt

Natürlich sehe ich auch die Schwächen des Films: einzelne Effekte, Logiklücken und stellenweise etwas gar stark geforderter «suspension of disbelief». Auch verstehe ich, dass Stan Winston unglücklich darüber war, dass seine Kostüme für die Monsteraffen nicht optimal inszeniert wurden.

Ich kann auch nachvollziehen, dass Autor Michael Crichton mit der Adaption nicht zufrieden war, da sie den einigermassen ernsten Ton der Vorlage zugunsten von actiongeladenem Rambazamba und flapsigem Humor geopfert hat.

Tatsächlich – und man verzeihe mir die Blasphemie – halte ich den Film aber für eine ganze Ecke unterhaltsamer als die Romanvorlage. Bis Crichton übrigens die Hutschnur bei den Verfilmungen endgültig riss, strichen noch ein paar Jahre ins Land. Nach der Flop-Verfilmung seines Zeitreise-Mittelalter-Thrillers «Timeline» 2003 soll er weitere Adaptionen seiner Werke untersagt haben.

Spirit of Africa

Und wie schon bei meinem Bericht über den geschassten Piraten-Knüller «Cutthroat Island» muss ich auch hier den Soundtrack positiv hervorheben. Jerry Goldsmith («Alien» hat hier im Verbund mit Lebo M. («The Lion King») einen grossartigen Score abgeliefert, der einen direkt in den afrikanischen Urwald auf Schatzsuche transportiert. Spotify-Anspieltipps: «Spirit of Africa» und «Kahega».

Darum: Wartet den nächsten regnerischen Sonntag ab, besorgt euch ein grosses Stück Sesamkuchen, stellt euer Gehirn auf ein knallbuntes Affentheater ein und gebt «Congo» noch einmal eine Chance.


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